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Gemeinsame Obsorge - Ansturm der Väter bleibt wider Erwarten aus

26.05.2013

DiePresse.com | Leben

Gemeinsame Obsorge - Ansturm der Väter bleibt wider Erwarten aus
25.05.2013 | von Philipp Aichinger (Die Presse) obsorge_vater-kind.jpg

Seit Februar gilt in Österreich eine neue Gesetzeslage. Nun kann man bei Gericht auch ein gemeinsames Sorgerecht beider Eltern einklagen. Doch die erwartete Antragsflut von Vätern kam nicht. Auch Paare, die am Standesamt gemeinsam ihr Sorgerecht eintragen lassen wollen, gibt es nur selten.

Lange kämpften Väter für das Recht auf eine gemeinsame Obsorge. Doch erst als der Verfassungsgerichtshof das alte Gesetz kippte, handelte die Politik. Seit 1. Februar kann man nun eine gemeinsame Obsorge einklagen. Bisher war diese nach einer Scheidung nur möglich, wenn beide Elternteile es wollten. Ansonsten erhielt meist die Mutter den Zuschlag. Bei unehelichen Kindern hatten Väter gar keine Chance auf Sorgerecht, wenn die Mutter es nicht wollte.
Nun aber kann jeder zu Gericht gehen und der Richter darf (nach einer sechsmonatigen Testphase) ein gemeinsames Sorgerecht anordnen. Das bedeutet eine neue Chance für alle Väter, die bisher kein Sorgerecht haben, eine Vielzahl von Anträgen wurde deswegen erwartet. Jedoch: „Es gibt weniger Anträge auf gemeinsame Obsorge als erwartet“, berichtet Doris Täubel-Weinreich, Obfrau der Fachgruppe Familienrecht in der Richtervereinigung. Sie führt das auch darauf zurück, dass Väterorganisationen erklärt haben, dass Anträge wenig sinnvoll sind. Denn das neue Gesetz sieht vor, dass auch bei gemeinsamer Obsorge vom Gericht ein Elternteil bestimmt wird, bei dem das Kind primär wohnt. Und diese Person darf allein über den Aufenthalt des Kindes entscheiden. Wenn dieses Recht weiterhin nur der Mutter zukommt, nütze ein Sorgerecht für Väter kaum etwas, kritisieren die Väterorganisationen. So könne die Mutter mit dem Kind dann sogar trotz gemeinsamer Obsorge auswandern. Befürworter der Regelung hatten damit argumentiert, dass man Mütter nicht in der Freiheit einschränken dürfe, (mit dem Kind) umzuziehen.

Vereinfacht wurde auch die Regelung für ledige Paare, die sich einig sind, dass sie ein gemeinsames Sorgerecht wollen. Statt es wie bisher bei Gericht zu beantragen, können die Paare nun einfach am Standesamt das gemeinsame Sorgerecht eintragen lassen. Aber auch hier gebe es wenige Anträge, berichtet Täubel-Weinreich aus der Praxis (die Anträge werden vom Standesamt ans Gericht weitergeleitet). Scheinbar seien Paare nach der Geburt eines Kindes mit so vielen anderen Dingen beschäftigt, dass das Sorgerecht nicht im Vordergrund stehe, meint die Richterin.

Unklares Gesetz
Auch wenn die erwartete Antragsflut ausblieb, stehen die Richter aber wegen der Novelle vor Schwierigkeiten. So ist die Familiengerichtshilfe, die bei der sechsmonatigen Testphase für die gemeinsame Obsorge die Eltern beäugen soll, an den meisten Standorten noch nicht existent. Probleme bereiten auch unklare Gesetzesstellen. So dürfen Richter im strittigen Sorgerechtsverfahren Personen zur Eltern- und Erziehungsberatung bei einem Psychologen zwingen. „Man weiß aber nicht, ob der Psychologe dann gegenüber dem Gericht zur Verschwiegenheit verpflichtet ist oder nicht“, sagt Täubel-Weinreich. Das Gesetz lasse beide Interpretationsmöglichkeiten offen.
Dass es nun auch bei einvernehmlichen Scheidungen eine verpflichtende Elternberatung gibt, begrüßt Täubel-Weinreich. Dabei würden Eltern lernen, wie man mit Scheidungskindern umgeht. So komme es nämlich etwa vor, dass ein Vater gleich nach der Scheidung dem Kind die neue Freundin vorstellt, aber dazu sagt: „Der Mama darfst du nichts davon erzählen.“ Das setze die durch die Scheidung ohnedies belasteten Kinder noch mehr unter Druck, betont Täubel-Weinreich. Richtig sei es, nach der Scheidung noch abzuwarten, bevor man dem Kind von einem neuen Lebenspartner berichtet.

Auszug aus der Printausgabe - © DiePresse.com